Wie politisch darf „Irrenpflege“ sein? Die Geschichte gewerkschaftlicher Organisierung von psychiatrischen Pflegekräften im Deutschen Reich am Beispiel der preußischen Landesanstalt Uchtspringe 1900–1933

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.25974/enhe2020-6en

Schlagworte:

Gewerkschaft, Pflegeethik, Pflegegeschichte, Professionalisierung, Psychiatrische Pflege, Weimarer Republik

Abstract

Der Beitrag beleuchtet frühe Vorstöße gewerkschaftlichen Engagements von Pflegekräften, er untersucht exemplarisch Voraussetzungen, Umstände und Hindernisse einer gewerkschaftlichen Organisierung von Psychiatriepflegenden im Deutschen Reich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hierzu werden Personalakten ausgesuchter Pflegekräfte der ehemaligen preußischen Landes-Heil- und Pflegeanstalt Uchtspringe herangezogen, um Fallgeschichten von gewerkschaftlich engagierten Pflegenden zu rekonstruieren. Sogenannten „Irrenpflegern“ war ein von der Anstaltsleitung unabhängiges Agieren in einem Gewerkschaftsverband bis zur Aufhebung des Koalitionsverbotes im Jahre 1918 strengstens untersagt. Dessen ungeachtet lässt sich für mehrere Uchtspringer Pflegende eine Mitgliedschaft im christlichen „Deutschen Verband der Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen“ noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges nachweisen. Die 1919 gegründete Uchtspringer Ortsgruppe des SPD-nahen „Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter“ (VGS) etablierte sich zur Zeit der Weimarer Republik zum wichtigsten gewerkschaftlichen Vertreter des Uchtspringer Personals. Erst die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendete die Arbeit der als „politisch unzuverlässig“ gebrandmarkten Ortsgruppenvorsteher abrupt. Durch die Erschließung diverser historischer Quellen, so auch von Egodokumenten, wird die Selbst- und Fremdwahrnehmung der gewerkschaftlich tätigen Pflegekräfte vor dem Hintergrund wechselnder Direktionen und politischer Systeme unter Beachtung des Genderaspektes untersucht. Darüber hinaus wird der Beitrag des VGS zur Ausformulierung von neuen Konzepten der Pflegeethik in Abgrenzung zu konfessionellen und weltlichen Pflegeorden erschlossen.

Veröffentlicht

2020-06-15